FC St.Pauli – SV Darmstadt 98 0:1 (0:1)
Tore: 0:1 Loevin Jones (7.)
Zuschauer: 29.005 (ca. 1.500 Gästefans)
„Jo, ich schreibe Montag was über das Darmstadt-Spiel. Mach ich gerne!“
Das waren die unbedachten Worte, die ich Frodo auf digitalem Wege zukommen ließ. Ebenso wie sich die Heimspiele des FCSP manchmal anfühlen, so begeben sich nun die Buchstaben eher schleppend auf den weißen Grund. Der Start der gestrigen Partie fühlte sich an wie eine Hommage an unsere Heimspiele der Hinrunde: Guter Start, verpasste Chancen, aus dem Nichts das frühe Gegentor und danach planloses Anrennen. War was? Winterpause? Trainerwechsel?
Vor dem Spiel
Viel wichtiger als jedes Fußballspiel auf der Welt war das Geschehen vor dem Anpfiff. Hier wurde ganz leise ein eindrucksvolles Zeichen gesetzt. Ich empfehle jedem, der es noch nicht getan hat das Interview mit Esther Bejarano auf der FCSP-Homepage zu lesen. Für die, die nicht im Stadion waren hat u.a. Edel Fan Nico dankenswerterweise ein Video vom Einlaufen der Mannschaften hochgeladen.
Sportliches
Das Spiel selbst ist schnell erzählt. Wir verpassen die frühe Führung und Darmstadt macht im Gegenzug das Tor. In dieser Situation hat die Übergabe der Spieler von Mittelfeld auf Abwehr mal so überhaupt nicht funktioniert. Danach laufen wir gegen eine Wand.
Meine persönliche Erwartung an ein Fußballspiel sinkt immer massiv, wenn Darmstadt 98 beteiligt ist. Das war vor allem unter Dirk Schuster im Aufstiegsjahr und dem ersten Jahr in der 1.Liga so. Norbert Meier und Thorsten Frings haben der Truppe aber auch den Teufel nicht austreiben können. Und nun ist Dirk Schuster sogar wieder Trainer. Noch bevor wir weiter darüber diskutieren, ob uns der schleichende Zerfall von 50+1 oder die zunehmende Kommerzialisierung den Fußball kaputt macht, müssen wir uns über den Fußball den Darmstadt 98 salonfähig gemacht hat, unterhalten. Das mag recht drastisch formuliert sein, aber das Interesse an dem Spiel Fußball als solches hat in der 2.Liga in den letzten Jahren massiv abgenommen. Es geht nur noch um Fehlervermeidung in der Liga und Darmstadt war ein Vorreiter dieser Entwicklung, die, nachdem sie einmal in Gang gebracht wurde, nicht mehr aufzuhalten war und ist. Inzwischen gibt es eigentlich kein Team mehr, das primär ein Offensivkonzept hat. Sämtliche Offensivkonzepte sind unterwandert von defensivem Denken. Es gilt meist immer in guter Position für das Gegenpressing und die Rückverteidigung zu sein. Dabei wird weniger riskiert, da ein Gegentor dazu führt, dass die mit diesen Konzepten ohnehin nur schwer bespielbaren Räume vom Gegner komplett verschlossen werden. So ist auch zu verstehen was Ewald Lienen damit meinte, als er im MillernTon sagte, dass ein Tor das Spiel viel mehr als früher beeinflusst. Darmstadt hat uns im Grunde einen Spiegel vorgehalten und uns aufgezeigt, wie destruktiv wir in Dresden nach der frühen Führung spielten. Da haben wir nach der Führung teilweise in einer 46-Formation gestanden.
Wirklich gefährlich wurde es gestern nur, wenn wir es schafften schnell und über die Außen zu spielen. Diese Räume waren vor allem dann vorhanden, wenn Darmstadt hoch presste, also im 433. Dann allerdings musste die erste Reihe erst einmal überspielt werden. Schoppenhauer versuchte das meist mit langen Bällen. Ich finde es immer beeindruckend, was auf dem Platz passiert, wenn es mal geschafft wird die erste Reihe zu überspielen und einen eigenen Spieler im Zentrum in Ballbesitz zu bringen. Die Dynamik die dann kurzzeitig, im Vergleich zum eher langsamen Ballgeschiebe vorher, einsetzt, ist bemerkenswert. Die verteidigende Mannschaft versucht so schnell wie möglich auf Mittelfeld- oder Abwehrpressing umzustellen und alle Spieler hinter den Ball zu bekommen. Meist bewegen sich die Spieler dazu im Vollsprint zurück. Der angreifenden Mannschaft bleibt also nur wenig Zeit um die freien Räume zu bespielen. Das führt natürlich zu Fehlern, seien es falsche Laufwege oder Fehlpässe. Gerade in der zweiten Liga ist in diesen Situationen die Fehlerquote sehr hoch. Jeder Offensiv-Spieler der in solchen Situationen unter höchstem Druck den Ball sinnvoll weiterleiten kann, landet früher oder später in einer höheren Liga. In Liga Zwei befinden sich also entweder Offensiv-Spieler, die unter diesem Druck (noch) nicht oder zu selten richtige Entscheidungen treffen und technisch umsetzen können.
Darmstadt spielte dann ein absolut kompaktes Pressing im Zentrum, teilweise mit einer interessanten 424-Formation. Bemerkenswert war, dass hierbei die Außenbahnen teilweise nicht besetzt waren. Diese freien Räume wurden von uns aber eher selten bespielt. Warum? Hier kommt wieder die Rückverteidigung ins Spiel. Sollte man den Aufbau über die Außenbahn forcieren und versuchen dort eine Überzahl zu erschaffen (was unter Ewald Lienen häufig der Fall war), dann sieht man bei Ballverlust meist ganz alt aus, da die Raumaufteilung bei einem Konter absolut ungünstig ist. Somit wurde nur sehr selten über die Außen gespielt und das meist bei eigenen Umschaltsituationen. Und trotz einer Menge Ballverluste und mangelnder Passgenauigkeit gab es einige Chancen für uns. Dass Darmstadt mit einer Führung in die Pause ging lag vor allem an mangelnder Chancenverwertung lag und nicht an fehlenden Chancen.
Die zweite Hälfte kann durchweg als enttäuschend beschrieben werden. Symptomatisch für die Planlosigkeit, mit der angerannt wurde, ist die Einwechslung von Diamantakos. Ich bin mir sicher, dass wir an diesem Spieler noch viel Spaß haben werden. Allerdings frage ich mich, wie er uns gestern hätte helfen können, außer dass er als Stürmer eine Option mehr in vorderster Reihe darstellte. Die fehlende Abstimmung des Sturm-Trios war bis in den obersten Rang des Stadions zu spüren. Wenn solch eine Einwechslung möglich ist, dann stelle ich mir die Frage, ob es überhaupt einen ausgereiften Plan gab, wie man in der zweiten Halbzeit ein Tor gegen Darmstadt erzielen wollte. 15 Minuten nach Diamantakos‘ Einwechslung stellte der Wechsel von Allagui auf Neudecker dann wieder das vorher gespielte 442 her, welches mich dann komplett ratlos machte, was die Einwechslung von Diamantakos für Sahin bezwecken sollte. Die Phase zwischen den beiden Wechseln war auch deutlich unsere schwächste. Für mich kam die Einwechslung von Neudecker, für viele im Stadion die Auswechslung von Allagui zu spät. Selbst wenn man mal von den Ballverlusten und Fehlpässen absieht (zumal auch immer einige gute Aktionen dabei sind und ich bereits ausführte, wie hoch der Druck und die Geschwindigkeit sind), so ist auf jeden Fall die Körpersprache von Sami Allagui absolut ungenügend. Das spiegelt sich auch im Defensivverhalten wieder. Sorry, aber da helfen dann auch die paar Tore nicht viel. Hier muss was passieren!
Es bleibt festzuhalten, dass besonders bei Umschaltsituationen Darmstadt in der ersten Hälfte ziemlich schlecht aussah. Und das kann man auch andersrum betrachten: Markus Kauczinski sagte bereits bei Amtsantritt, dass der Kader des FCSP sich besonders gut im Umschaltspiel machen würde. Ich habe das durchaus als kleinen Seitenhieb gegen Olaf Janßen verstanden, da dieser versuchte spielerische Elemente wie Kombinationsfußball wieder mehr in den Vordergrund zu stellen. Der Fokus auf das Umschaltspiel ist aber keine Neuheit. Auch unter Lienen war das unser größter Trumpf. Bei diesem Fokus handelt es sich ganz klar um eine reine Fehlervermeidungs-Strategie. Damit werden wir die nötigen Punkte holen, um nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben. Mehr aber auch nicht. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“ möchte man meinen. In der 2.Liga ist es eher „Wer am wenigsten wagt, gewinnt“.
Und sonst so?
Nur kurz, weil es so lächerlich ist: Unser “Sicherheitsbeauftragter” hatte Kontakt mit der GdP. Anscheinend ist es nicht bis in die letzte Gehirnwindung durchgedrungen, dass man nicht auf jeder Party willkommen ist. Und man wundert sich noch, dass man an der Tür abgewiesen wird, wenn man vieles dafür tut, um mit den anderen Partygästen nicht befreundet zu sein…
//timbo
Links:
– Nice Guys St.Pauli: #senfdazu48
– Stefan Groenveld: Lautes Schweigen am Millerntor