SV Darmstadt 98 – FC St.Pauli 1:0 (0:0)
Tor: 1:0 Tobia Kempe (71.)
Zuschauer: 16.150 (ca. 2.000 St.Paulianer)
Wisst Ihr, was das besondere an den Saison 1979/80 – 1983/84 war?
Richtig, es war das letzte Mal, dass der FCSP einer Spielklasse mehr als vier Jahre in Folge angehörte. Mit dem gestrigen Klassenerhalt vom Sonntag ist dies aktuell für die 2.Liga auch wieder der Fall, fünf Jahre in Folge. Sollten wir dann auch 2016/2017 noch Zweitligist sein, so wäre dies (sechs Jahre oder mehr in Folge) sogar erstmals seit den elf Jahren in der damaligen Regionalliga Nord (2.Liga) von 1963 – 1974 der Fall.
Serien sind eben dazu da, gebrochen zu werden.
Wie ich drauf komme? Der @TeddyTria hat dies (neben vielen anderen Dingen) im Saisonverlauf immer wieder als ein stichhaltiges Argument für den Abstieg angeführt. Ebenso haltlos, wie ich mich immer wieder bemüht habe, positive Statistiken für den umgekehrten Fall, den Klassenerhalt, herbeizuzerren.
Am Ende gilt halt: Entscheidend ist auf dem Platz, und wir sind sicher beide froh, dass dieses Mal ich Recht behielt, war in den letzten Jahren auch schon oft genug andersrum.
Und auch, wenn man jetzt einfach mal glücklich sein und nach vorne schauen sollte: Ein Rückblick muss erlaubt sein.
Freitag, 20.März, 20.15h. Es läuft die 88.Minute des 26.Spieltags, es steht 0:0 an der Alten Försterei. Angesichts der Tabellensituation könnte ein Punkt für den FCSP zwar zuwenig sein, aber bei der bisherigen Auswärtsbilanz wäre der Punkt immerhin ein Achtungserfolg und ein Zeichen im Abstiegskampf.
Und dann: Sein Auftritt: Pauli, bekannt aus der Sendung mit der Maus. Der Maulwurf, sonst auch gerne vom ungeliebten Hamburger Boulevard als Kosenamen für unseren Verein benutzt, wahlweise in der eigenen Fanszene oftmals als abfälliger Begriff für Modefans, buddelte sich auf Höhe des Sechzehners vor der Gästekurve an die frische Luft, guckte sich fröhlich um und sah einen Ball auf sich zukommen, den Sören Gonther zu Robin Himmelmann zurückgespielt hatte und dieser ihn sich nochmal vorlegte. Pauli duckte sich weg, aber sein Hügel war noch da. Der Ball hoppelte, “Skyman” schlug ein Luftloch, Sebastian Polter erzielte das 1:0 für Union.
Der FCSP jetzt Tabellenletzter, vier Punkte Rückstand auf Platz 15. Von den verbleibenden acht Spielen tritt man sechs Mal gegen Teams an, die zu jenem Zeitpunkt noch aufsteigen wollen, u.a. Lautern, Darmstadt und den KSC, alle drei Spiele auswärts.
Wetten auf den direkten Klassenerhalt hätten wohl selbst kühne Optimisten wie ich nicht mehr abgeschlossen, den Relegationsplatz jeder mit Kusshand genommen.
Seit Sonntag wissen wir: Es sollte anders kommen.
Puuuuuh…
Die Anspannung war groß, Tickets für Sonderzug und den Gästeblock waren unfassbar begehrt und rar, ich selbst wurde am Sonntag um 4.45h dann sogar eine Viertelstunde vor dem Wecker wach.
Im Zug dann alles verhältnismäßig entspannt, auch wenn die Diskussionen natürlich in so ziemlich allen Abteilen nur um die diversen Konstellationen gingen.
Grundtenor, zumindest in den Diskussionen an denen ich teilnahm: Direkter Abstieg passiert nicht, Relegation ist möglich aber die Tendenz ging meist zum direkten Klassenerhalt. Wenn auch, zugegeben, selten einhergehend mit einer Niederlage, sondern zumeist mit einem Punktgewinn oder sogar einem Auswärtssieg.
In den beiden Partywagen (musikalisch unterteilt in 1x USP-Gewummse und 1x Trash/Sonstwas) herrschte auf der Hinfahrt auch noch vorsichtige Zurückhaltung.
In Darmstadt pünktlich angekommen empfing uns die Polizei. Und das “empfangen” ist dann wörtlich gemeint, denn da stand auf dem Platz ein Lautsprecherwagen, aus dem Hells Bells erklang und einem freundlich die Besonderheit des Tages, auch für Darmstadt, erklärt wurde und man überaus freundlich Willkommen geheißen wurde.
Ähm… ja, ich hab mal auf einer Podiumsdiskussion gesagt, dass ich mich freuen würde, wenn man als Fanszene gelassener auf die Polizei als solche reagieren würde, nicht immer gleich aggressiv, und dass ich mir Umgekehrtes natürlich erst recht von der Polizei erhoffen würde. Das Auftreten als solches der Darmstädter Polizei war also sicher angenehmer als ein “Helme auf, Anstarren, Filmen, in die Busse drängen“, aber irgendwie dann doch schon fast wieder too much.
Fußballfans, ey, denen kann man es auch echt nicht recht machen, ich weiß.
In den Bussen ging dann wegen Dummheit und zu viel Alkoholkonsum eine Scheibe zu Bruch und ich befürchtete Schlimmes, aber immerhin hielt sich auch hier die Polizei angenehm zurück, obwohl es sogar St.Paulianer gab, die sich der Polizei als Zeuge bereitwillig anboten. Manche Dinge… naja.
Am Stadion gab es dann den “Biergarten Lichtwiesn“, der extra für die Gästefans früher öffnete und so wohl einen Rekordumsatz verzeichnete, wohlgemerkt mit absolut fairen Preisen. Das dürfte sich dann in der Bundesliga schnell herumsprechen, allerdings haben die aktuell Samstags eigentlich geschlossen. Immerhin da haben wir uns dann offensichtlich auch ausnahmslos gut benommen:
Liebe St. Pauli-Fans, am letzten Sonntag waren viele von euch zu Gast in unserem Biergarten direkt am Stadion. Eure…
Posted by Studentenwerk Darmstadt on Dienstag, 26. Mai 2015
Hinein ins Stadion, um mich rum lauter “Hach, herrlich, so ein echtes Stadion. Wie früher!”
Ja, schon richtig. War sicherlich hilfreich, dass wir Ende Mai hier spielten und nicht Mitte Februar im Schneesturm, sonst wäre die Begeisterung vielleicht verhaltener ausgefallen.
Aber: Natürlich, schickes Ding, das Böllenfalltor. Und bei dem Gedanken wer hier nächste Saison alles her will und sich um die knapp 1.700 Gästetickets prügeln darf, um dann auf eine Schotterlaufbahn zu gucken und mangels Dach bei noch so viel Lärm nicht wirklich gehört zu werden, musste ich schon lächeln.
Charme, wie am alten Millerntor. Aber ich werde alt, ich werde mich spätestens im Oktober dann doch wieder über unsere Überdachung freuen.
Zum Spiel muss ich nichts schreiben, zumindest die Highlights dürfte jeder gesehen haben. Die Gefühlswelten im Gästeblock hingegen… schon sehr speziell. Neben mir die Aufsichtsratschefin, hinter mir ein Aufsichtsrat – ich war als ruhender Pol mit einem gerüttelt Maß an Grundoptimismus sehr gefragt.
Aber als dann nach einigen Minuten Düsseldorf und Karlsruhe führten und ich ein fröhliches: “Na, dann können wir ja jetzt abschenken!” in die Runde schmiss, war das auch wieder nicht richtig.
Und die letzten Minuten, nachdem Männel zum 2:2 für Aue getroffen hatte… nun ja, Tiefenentspannung suchte man auf den Traversen des Böllenfalltors im Gästeblock da vergeblich, selbst ich transpirierte ganz leicht, Temperaturunabhängig.
Aber dann: Abpfiff bei uns, Abpfiff in Heidenheim (- Aue) und in Karlsruhe (- 1860) und endlich befreiter Jubel. Das Ende einer ganz schlimmen Saison, aus der man zwar mit einem blauen Auge, aber dann eben doch gestärkt hervorgehen kann, hoffentlich zumindest.
Der Verein hat heute im Vereins-TV die letzten Minuten auf der Bank veröffentlicht, die geben die Stimmung dort wohl auch ganz gut wieder, inkl. einem panischen “Aue führt, wir müssen ein Tor machen!“:
Der Sturm auf den Rasen war mir suspekt, “feiern” wollte ich in dem Sinne eigentlich nicht, auf Verbrüderungsszenen mit Fans anderer Vereine stehe ich auch nicht so, aber zugegebenermaßen gehören die Darmstädter ja schon zu den sympathischeren Fanszenen hierzulande. Muss und darf ja zum Glück auch jeder selbst entscheiden.
Als dann irgendwann unsere Spieler und das Team drumrum doch noch den Weg in die Kurve antreten konnten, zog es mich auch auf den Rasen, und wen man in diesen Minuten dann alles erleichtert umarmen konnte kann ich jetzt hier gar nicht mehr aufzählen. Zumindest bei einem fast nackten Jan-Philipp Kalla machte ich noch Halt und bedankte mich für sein gehaltenes Tor-Versprechen in Kaiserslautern, auch ihm war die Erleichterung deutlich anzusehen.
Zurück zum Bahnhof, ab in den Sonderzug und irgendwann auch in den Partywagen. Klar ist: Sollte die Playlist irgendwann veröffentlicht werden, können wir uns den Ruf eines Punkrock-Vereins mal ganz getrost abschminken.
Aber “hsv, Du bist meine Frau!” traf eben das Humorzentrum und spätestens bei L.A.K. konnte man den laut mitgröhlenden Reisenden die Erleichterung im Gesicht ablesen.
Und das trifft es wohl am Besten: Erleichterung.
Die Grenzen zu “Paaaaaaaadie!” sind sicherlich fließend, aber zumindest für mich stand in diesen Stunden der Rückfahrt im Vordergrund, einer ziemlichen Katastrophe für den Verein gerade noch mal entgangen zu sein. Die Gesichter der mitfahrenden Aufsichtsrats- und Präsidiums-Mitglieder erzählten ähnliches.
U23-Abstieg, TV-Millionen, Arbeitsplätze – Ihr kennt das.
Gegen 02.00h war der Sonderzug dann auch wieder in Altona angekommen, auf das Knust hatte ich da dann doch keine Lust mehr, es wäre wohl auch eh kaum noch jemand da gewesen.
Partywagen ausgeladen, ab nach Hause, Pfingstmontag noch das Hamburger Pokalfinale mitgenommen, fertig.
Was bleibt?
Danke!
Danke, Präsidium, Sportchef, Trainerteam.
Ich hab keine Ahnung, ob Ewald ein guter Trainer ist und Ahnung von Taktik und so weiter hat. Ich hab selbst überhaupt keine Ahnung davon, insofern glaube ich das jetzt einfach mal.
Ist aber auch völlig egal, denn neben der durch Ewald neu gewonnenen Sicherheit in der Defensive hat er es vor allem geschafft, dieser Mannschaft den Glaube zurückzugeben. Als Du, Ewald, vor Deinem ersten Heimspiel die Fans eingeschworen hast, in dem Du vor den Tribünen auf und abgelaufen bist und sie angeschrien hast, schrieb ein Bielefelder Fan auf Twitter: “Jaja, hat er bei uns beim ersten Spiel auch gemacht.”
Hier hast Du weitergemacht, Du hast es bei jedem Spiel gemacht, Heim wie Auswärts. Du hast, ob nötig oder nicht, den Fans das Gefühl vermittelt, wichtig zu sein und Einfluss auf das Spielgeschehen zu haben. Hat uns geholfen, hat vielleicht auch der Mannschaft geholfen. Hat jedenfalls geklappt.
Und wenn man sich an jene Tage im Dezember zurückerinnert, wo das neue Präsidium mit dem neuen Aufsichtsrat jene sehr gewagte Personalrochade durchführte, so kann man jetzt eben rückblickend sagen: Wow, Monstermove, alles richtig gemacht.
Danke, Fanladen St.Pauli.
Danke für einen Sonderzug und sowieso die immerwährende Arbeit, die Ihr während der Saison leistet. Ich bin mir sicher, dass es ohne Euch nicht denkbar wäre, dass der Verein so aufgestellt ist, wie er es aktuell ist.
Die Aufsichtsratsvorsitzende organisiert (mit) den Partywagen und steht selbst hinterm Tresen, gleiches gilt für ein weiteres Mitglied des Aufsichtsrats. Das Präsidium fragt schon vorab mal an, ob denn Mitglieder der Mannschaft gegebenenfalls mit dem Sonderzug zurück fahren können und hoppst dann selbst fröhlich durch den Partywagen, gleiches gilt für Sportchef und Trainer.
Ehemalige Spieler wie Benedikt Pliquett stehen einfach so im Gästeblock und sagen auf Nachfrage, dass es ja wohl auch gar keine andere Möglichkeit gegeben hätte, als dabei zu sein. Dies tun sie dann aber eben nicht öffentlichkeitswirksam mit dem Kamerateam von sky, sondern einfach so. Weil sie es wollen, weil sie Bock drauf haben.
Und all das, weil St.Pauli eben die einzige Möglichkeit ist. Und der Fanladen ist das Herz des FC St.Pauli, auch und gerade im 25.Jahr seines Bestehens.
Danke, Mannschaft?
Nun ja… so weit will ich eigentlich nicht gehen, es bleibt eine ziemliche Scheißsaison, weit unter den Möglichkeiten mit teils unterirdischen Leistungen.
13 Punkte nach der Hinrunde. Dreizehn!!!
Allerdings gab es eben auch viele Gründe dafür, neben einer “nicht optimalen” Vorbereitung auch viel Verletzungspech. Und zumindest die Rückrunde habt Ihr Euch zerrissen und den Karren nochmal aus dem Dreck gerissen. Also: Danke dafür, zumindest.
Ein Thema welches dann nach dem Spiel hochkochte:
Sebastian Schachten hat noch keinen neuen Vertrag. So weit, so Fakt, nichts Neues.
Neu war nun ein Zitat, welches insbesondere im Boulevard natürlich gleich wieder hochgejazzt wurde. Kann man machen. Muss man im Boulevard vielleicht sogar.
Und dann kann man sich das als Fanszene aber auch mal entspannt anschauen ohne gleich die ganz schweren Geschütze aufzufahren und gleich wieder den Untergang aller St.Paulianischen Werte an die Wand zu malen.
Eine etwas ausführlichere Betrachtung dessen kann man bei stpauli.nu nachlesen, auch der Artikel heute im Abendblatt klingt schon wieder sehr viel sachlicher und lässt noch alle Möglichkeiten offen.
Klare Ansage: Ich würde mich sehr freuen, wenn Schachter bleibt. Allerdings ist der Klassenerhalt nun auch erst seit drei Tagen fix und ich bin guter Dinge, dass man sich jetzt nochmal in Ruhe zusammensetzen wird. Solange auf der Vereinshomepage der Abgang noch nicht vermeldet wurde, ist eben auch noch nichts fix. Und auf Boulevard-Spielereien habe ich auch keine Lust.
Feierei im Knust:
Im Abendblatt-Blog wurde von den Feierlichkeiten im Knust berichtet. “Tschauner, Du Zigeuner!” soll da lachend von der Mannschaft angestimmt worden sein. Ähnliches hatte sich die Darmstädter Mannschaft bei den Aufstiegsfeierlichkeiten geleistet.
Im Forum meldete sich aber zumindest ein User zu Wort, der das alles etwas anders darstellte, demnach sei es nur ein Spieler gewesen und der wäre (neben der erwähnten Reaktion der Fans) auch von Mitspielern schnell darauf hingewiesen worden, dass das weder witzig noch sonst irgendwie passend sei und soll dies dann auch sofort eingesehen haben.
Und der danach angeführte Vorfall mit Alushi sei auch völlig anders gewesen, von Bepöbeln der Mitspieler könne keine Rede sein.
Muss man generell überhaupt einen Klassenerhalt in der 2.Liga so feiern? Hätten die Spieler sich nicht lieber alle in den Sonderzug begeben sollen?
Ja, in einer perfekten Welt wäre das so. Die haben wir aber nicht, auch nicht beim FCSP, und dann feier ich lieber nur mit den Spielern, die das dann auch freiwillig und gerne tun, passt schon.
Wie geht es weiter?
Erst mal durchatmen, auch hier im Blog.
Am 10.Juni ist die Auslosung der 1.Runde im DFB-Pokal, wir werden Anfang August ein Heimspiel gegen einen Erst- oder Zweitligisten haben.
Auftakt zur 2.Liga ist bereits am Wochenende um den 25.Juli, womit die 2.Liga wieder zwei Spieltage “exklusiv”, ohne die erste Liga hat. Nun denn.
Schöne Sommerpause! // Frodo
Links:
– MillernTon-Podcast Vor und Nach dem Spiel im Gespräch mit Boelle.org
– Bilder Aux Armes (auf Flickr)
– Bilder (und Bericht) Stefan Groenveld: “Verloren und doch gewonnen”
– Bilder (und Bericht) Stefan Groenveld: “The Sonderzug Files”
– Bilder USP
– Bericht FCSP South End Scum: “Matchday 34” (English)
– Bericht pathos93: “Erleichterung und Mahnung”
– Bericht MagischerFC: “[Gastbeitrag] Der alte Mann und der Klassenerhalt”
– Bericht Patrick Gensing: “Gekommen um zu bleiben…”
– Bericht Fangirl1910: “Es ist geschafft”
– Bericht BreitSeite: “Eine Überschrift gibt immer eine Richtung vor…”
– Bericht Couchgepöbel: “Von Aufstiegen, Nichtabstiegen und…”
– Bericht BLOCKNACHBARN: “Geschafft!”
– Bericht KleinerTod: “In Darmstadt verloren, doch die Klasse gehalten…”
– Bericht Hamburg ist Braun-Weiß: “Verloren und trotzdem gerettet…”
– Video: Sören Gonther zum Klassenerhalt
– Video: Philipp Tschauner zum Klassenerhalt und zum Abschied
– Video: Robin Himmelmann zum Klassenerhalt